Zu Prof. Bernd Dietrich-Heßbrügges Triologie - 1999
(letzte Bild)
In Bernd D. Heßbrügges 1999 in Calgary entstandenem Triptychon tauchen Figuren und längst vergangene Epochen aus dem `Flugsand der Zeit` auf und verwehen, je nachdem wie das Licht auf die Leinwand fällt. Quer durch die Geschichte der Menschlichkeit, über Stufen und Wendeltreppen, durch Viadukte und dunkle Gänge führt der Künstler den Betrachter seines Weltbildes. Der Aufbau ist in zwei klar voneinander abgesetzte Zonen gegliedert. Der obere Bildteil schildert die `Seinsspähre`in der sich das Hauptgeschehen abspielt; das untere Bilddrittel befasst sich mit dem Beginn irdischen Lebens, dem `Werdeprozess`. Als schattenhafte massige Figur entsteigt Mutter Erde mit ihrem Füllhorn den Weltmeeren. Ihr linkes Bein mit dem vollen Schenkel befindet sich zum Zeichen ihrer Fruchtbarkeit noch im Wasser, dem Ursprung allen Lebens. Dieses `keimende Leben` deutet sich an in dem riesigen embryonalen Kopf in der unteren Bildecke, der nur zu einem Teil aus dem Urgestein heraus gebrochen wurde. Auch die beiden Pfeiler menschlicher Zivilisation, die das Bild wie in einem Rahmen fassen, entwickeln sich aus dem Weltenmeer: Zur linken die gedrehte Säule, die als Trägerin von Liebesakt und Liebe das Rückgrat der Menschwerdung ist, zur rechten der Totempfahl der Naturvölker, Symbol für Clanzugehörigkeit und Stammesidentität aber auch für die Frühzeit der menschlichen Gesellschaft. Welche Bedeutung der Künstler dieser `Wiege der Kulturen` beimißt, zeigt die Weltkugel, die als perfektes Rund über dem Pfahl schwebt. Die durch Säulen Bestimmte vertikale Verfestigung der Komposition am Bildrand findet ihre Entstehung in den beiden diagonalen gegenläufigen Hauptsachen, deren Schnittpunkt der Soldat mit dem sorgfältig heraus gearbeiteten Kupferhelm ist. Er steht somit im Brennpunkt des Geschehens. Diese sowohl thematisch als auch stilistisch einleuchtende Aufteilung fördert den ruhigen Erzählton. Gleichzeitig verbinden die vielen Gänge und überleitenden Treppen die Gesamtkomposition zu einem harmonischen Ganzen. Dass die `Einheit der Vielfalt` trotz des ewigen `stirb und werde` gelingt, liegt auch an de ungewöhnlichen Sandtechnik. Sie bewirkt die sanften wie zufällig wirkenden `chiaroscuro`-Effekte und bringen die Farben zum leuchten. "Ich kann die Lichtwerbung steuern;" erklärt Bernd D. Heßbrügge. "Der Weg des Pigments ist vorgeritzt. Es sucht sich seinen Verlauf im Sand und sammelt sich in den Vertiefungen." Während das Viadukt eine von links unten nach rechts oben verlaufende Einteilung bewirkt, kommt die Gegenachse wie von selbst durch Kommunikation zwischen den Handlungsträgern zustande.
Die leicht geöffneten Münder von Teufel, Soldat und greisem Kommandanten bezeugen, dass zwischen den drei Figuren ein unmittelbarer Kontakt besteht. Der Einfluss des Kommandanten auf den Soldaten und damit auf Krieg oder Frieden scheint schwach zu sein. Seine Züge bleiben schemenhaft und lösen sich in einem Doppelgesicht auf. Er ist die staatstragende, gottgewollte Kraft, der Hoffnungsträger, der vielleicht nicht mehr imstande sein wird, den Krieg zu verhindern. Der ewig weibliche, lebensspendende, angedeutet in dem vollbrüstigen Torso über seinem Kopf, stellt die Verbindung zwischen Kommandanten und Gottwesen her, einem im oberen Bilddrittel in Graffiti-Manier skizzierten, bärtigen Altmännerkopf. Auch die Macht des Teufels über den Soldaten ist eingeschränkt. Luzifer operiert aus einem dunklen Gehäuse heraus, den Blick fest auf den Soldaten gerichtet. Dabei legt er die Tatze auf die Schulter des Gottwesens, wohl um dessen Einfluss abzuschwächen. Das blicklose Profil des Soldaten ist den Kommandanten zugewandt. Sein ich verschmilzt dabei mit dem Helm zu einer fest gefügten Einheit. Während er einen Dialog mit dem väterlichen Befehlshaber führt, ist er längst in den Einflussbereich des Popen gelangt. Der Kirchmann verkörpert den christlichen Glauben. Er ist Gegenspieler des Kommandanten und hat wie dieser Teil an der göttlichen Gnade: Ein breiter Lichtstrahl, unmittelbar vom Gottwesen ausgehend, erleuchtet sein leicht aufwärts gerichtetes, kantiges Gesicht. Der Pope besitzt als einzige wirklich überlegene Macht.
Nur die Tonsur weist auf die geistige Würde dieser Figur hin. Das energische Profil läßt eher an den Typen eines Heerführers der Renaissance denken wie ihn der Condottiere und Humanist Federico da Montefeltro in Piero della Francescas gemalten Profilbildnis weist. Es sind die großen Leitthemen unserer irdischen Befindlichkeit, das `kollektive Unbewußte`, das den Künstler bewegt: Stammesmythen und Zivilisation, Christentum, Gott und Teufel, Kirche und Staat, Krieg und Frieden. Im Mittelpunkt steht der Mensch. Wie der Soldat bedarf er einer Orientierungshilfe, einer Marschroute. Er kennt seinen Weg nicht, steht im Fadenkreuz widerstreitender Kräfte. Wird er zum Spielball dieser Mächte oder kann er mit dem freien Willen selbst entscheiden, welche Richtung er einschlagen möchte? Bernd D. Heßbrügge unterstellt den Soldaten der Befehlsgewalt des Popen. Die Kirchengeschichte ist reich an kriegerischen Päpsten und Bischöfen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Pope den Soldaten seinen Machtinteressen opfert.
Kriege, so sagt man, liegen in der Natur des Menschen. Dennoch ist Hoffnung. Das sanfte `sfumato` der zarten an Leonardo gemahnenden Tonabstufungen. Liegt wie ein Dunstschleier aus Licht und Luft über dem mit altmeisterlicher Sorgfalt gestalteten Bildgeschehen und erzeugt eine lyrische Grundstimmung. "Lange Zeit habe ich mich mit dem Krieg beschäftigt", meint Bernd D. Heßbrügge. "Jetzt möchte ich mich dem Frieden widmen."
Dr. Marilies von Brevern, Kunsthistorikerin