BetonGold
Nachhaltigkeit und Kulturgeschichte umrankt das metaphorische Kompositum BetonGold mit dem Bernd Caspar Dietrich einen neuen ästhetischen Dialog startet. Nach einemZyklus von über fünfzig WHEELs mit konzentrischen Erzählungen seit 2013 beschäftigt sich Dietrich mit dem dialektischen Charme und der polarisierenden Ästhetik von Beton und Betonoberflächen. Damit vertieft er auch seinen Materialkanon durch den geschichtlichen Werkstoff Beton.
Einen ganzen „Beton“ Stadtteil hat der Architekt und Künstler Le Corbusier Mitte der 1960-er Jahre in der französischen Industriestadt Firminy bei Saint-Étienne konzipiert und hinterlassen. Die raumgreifenden, schlicht geometrischen Formen, die martialischen Sichtbeton-Konstruktionen vermitteln noch heute – wenn auch durch Sanierungsstau in die Jahre gekommen – einen idealisierten Anspruch mit kraftvoller Authentizität und ethischem Wollen die sozialen Aspekte moderner Architektur in den Mittelpunkt zu stellen: Kurze Wege verbinden Schule, Sportstadion, Jugend- und Kulturzentrum, ein Wohnkomplex und die Kirche. „Grob, herb, ehrlich“ vermittelt sich der moderne Baustil des Brutalismus „Oberbegriff für sehr vielfältige ästhetische Bewegungen“, so der Kunsthistoriker Nikolaus Bernau, „die aber alle meinten, die modernen, industrialisierten Massengesellschaften bräuchten eine möglichst kraftvolle Kunst. Deswegen ist auch das französische „brut“ in brutalisme zu übersetzen mit „rau“, „grob“, „herb“ oder „ehrlich“, so viel passender als das englische oder deutsche Wort „brutal“, dem der Unterton von Gewalt anhängt. Dabei wollten die Architekten jener Jahre die Nutzer ihrer Bauten geistig befreien, zum Sehenbringen, ihnen Sinnlichkeit statt Kommerz-Design anbieten“.
Mit BetonGold nimmt Bernd Caspar Dietrich den multiperspektivischen Diskursin seinen Bildern auf. Mit seinen 2,20 x 2,00 Meter großen Leinwänden, die Titel wie „Baulöwe“ und „Wolkenkratzer“ tragen, liefert er handwerkliche Meisterstücke, die – ob sie wollen oder nicht – zu Gesprächen über Verantwortung zu führen. „Die Ästhetisierung der Oberflächen ist für mich wichtig, um über elementare Werte zu sprechen“, so BCD. „Macht, Eigentum, Gentrifizierung und das elementare Bedürfnis zu wohnen. Ist Wohnen ein Menschenrecht? Welche gesellschaftliche Verantwortung leitet sich daraus ab, wenn ich mir für 60.000 Euro einen Quadratmeter in einer charmanten Citylage leiste? Wer sich einen Raum nimmt, trägt auch Verantwortung der Allgemeinheit etwas zurückzugeben und sie zu beschützen!“
Gold wird seit Jahrtausenden als ritueller Rohstoff, Sinnbild für das Edle und Schöne und Zahlungsmittel genutzt. Kaum ein anderes Material ist so beständig, werthaltig und bezaubernd, berührt durch seinen warmen Glanz und die Macht, die von ihm ausgeht. Gold ist ein seltenes Metall auf unserem Planeten, rund tausend Tonnen Gestein werden verarbeitet um nur vier Gramm Gold zu gewinnen. Wird das kollaterale Gestein für Beton verwendet? Wie dem auch sei, auch Beton und die Forschung der Baumeister rund um beständige Materialien für den Hausbau reichen viele Tausend Jahre zurück. BetonGold liefert Anlass für Diskurs: vom optischen Reiz und seinem tatsächlichen Wert.
Von Hella Sinnhuber